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Karl von Wogau Kopfgrafik

Virtuelle Studienreise nach Nordmakedonien – Mein Diskussionsbeitrag zur Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik nach dem Brexit

Die virtuelle Studienreise der Former Members Association nach Nordmakedonien war für mich eine erstmalige Erfahrung. Im Zeichen von Corona hatte ich zwar schon zuvor an Konferenzen „online" teilgenommen, aber für mich war es die erste Studienreise dieser Art mit einem umfangreichen Programm einschließlich des Besuchs eines Museums.
Unsere Gesprächspartner befanden sich in Skopje; Hans-Gert Pöttering, der die Delegation leitete, in Brüssel; die übrigen Teilnehmer, darunter mehrere Teilnehmer aus dem Vereinigten Königreich, im home office quer durch Europa.
Im Gegensatz zu realen Delegationsreisen dieser Art entfielen die Transporte zwischen den verschiedenen Ministerien, sodass in relativ kurzer Zeit zahlreiche Gespräche abgewickelt werden konnten. So konnten wir unter anderen mit dem Präsidenten Stevo Pendarovski, dem Außenminister Bujar Osmani und weiteren Vertretern des Parlaments und der Zivilgesellschaft sprechen. Dazu kam eine Diskussion mit Studenten der Universität von Skopje.
Ein zentrales Thema der Diskussionen war die Frage, wie es nach dem Brexit weitergehen soll. Dabei sorgte die Tatsache für besonderes Interesse, dass Präsident Pendarovski eine Doktorarbeit über die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik verfasst hat. Zum gleichen Thema hatte ich ein Buch herausgegeben, das auch einen Beitrag von Hans- Gert Pöttering enthält. Daraus ergab sich eine Debatte über die Europäische Verteidigung und den Brexit, die derzeit eine besondere Aktualität hat. Die folgenden Zeilen sind mein Beitrag zu dieser Debatte:
Bisher ist das Vereinigte Königreich bei dem Projekt einer autonomen Sicherheits- und Verteidigungspolitik Europas in erster Linie als Bremser in Erscheinung getreten. In den Beratungen des Unterausschusses Verteidigung des Europäischen Parlaments, der im Jahre 2004 gegründet wurde, hat mein damaliger Kollege Geoffrey van Orden als sicherheitspolitischer Sprecher der Tories immer wieder die Meinung vertreten, die Entwicklung einer autonomen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik sei schädlich und führe nur zu unnötigen Duplikationen.
Besonders deutlich wurde der Widerstand des Vereinigten Königreiches bei der Entwicklung der Europäischen Verteidigungsagentur, die aufgebaut wurde, um die Aktivitäten der Mitgliedsländer im Bereich der Beschaffung und der Verteidigungsforschung zu koordinieren.
Man könnte jetzt erwarten, dass mit dem Weggang der Briten ein wesentliches Hindernis für die Weiterentwicklung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik weggefallen sei. Bisher ist aber davon nichts zu sehen.
Wenn man die derzeitigen Prioritäten und die Situation der Europäischen Union richtig einschätzt, sind zur Zeit im Bereich der Verteidigung nur kleine Schritte möglich.
Ein möglicher Schritt auf diesem Wege wäre der weitere Ausbau der Europäischen Verteidigungsagentur, die 2004 gegründet wurde, um die Verteidigungsfähigkeit, die gemeinsame Beschaffung und die gemeinsame Forschung zu fördern.
Präsident Trump entwickelt derzeit starken Druck auf die Mitglieder der NATO, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Hier sehe ich die Gefahr zahlreicher Duplikationen – nicht die von Duplikationen von NATO und EU, sondern unnötige Duplikationen zwischen den 27 Mitgliedsländern, die entstehen, wenn jedes dieser Länder ohne Abstimmung mit den europäischen Nachbarn handelt. Die Agentur muss dazu beitragen, dass ein Europäischer Binnenmarkt im Bereich der Verteidigung entsteht und dass die Mittel des neu geschaffenen Verteidigungsfonds sinnvoll verwendet werden. Wenn die Verteidigungsagentur dazu in der Lage sein soll diese Aufgabe wahrzunehmen, müssen ihre Mittel verstärkt werden.
In der Diskussion über den Brexit gab es Stimmen aus Großbritannien, die plötzlich ein gesteigertes Interesse an einer Beteiligung an der Europäischen Verteidigungsagentur erkennen ließen. Dagegen spricht jedoch die Tatsache dass das Vereinigte Königreich in der Tradition seiner Außenpolitik keinerlei Interesse daran haben wird, dass nach dem Brexit auf dem Kontinent eine handlungsfähige Einheit entsteht.
Nigel Farage, einer der Architekten des Brexit, hat dieses Ziel mit schöner Offenheit formuliert: „After Brexit"- sagte er in einem Gespräch mit Michel Barnier- „the European Union will no longer exist". Das ist zwar in dieser Klarheit nicht die derzeitige Rhetorik von Boris Johnson, entspricht aber der Quintessenz der englischen Außenpolitik der vergangenen vier Jahrhunderte, wonach Großbritannien permanente Interessen hat, aber keine permanenten Verbündeten.
Die Europäische Verteidigungsagentur und die anderen Institutionen der ESVP sind nur sinnvoll als Instrumente einer umfassenden Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union. Nach dem Brexit ist das die Union der 27. Daher wird es nicht möglich und sinnvoll sein, Großbritannien nach dem Brexit einen Sonderstatus in den Entscheidungsgremien der GSVP einzuräumen.