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Europäische Verteidigung ohne Deutschland


Ein Beitrag für das Kongressmagazin der Berliner Sicherheitskonferenz 2013

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union werden sich im Dezember mit der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik auseinandersetzen. Von diesem Treffen erwarten wir nicht nur die Umsetzung früherer Beschlüsse, sondern auch neue Anstöße.

Dazu gehört, dass die Möglichkeiten, das Geld der Steuerzahler in diesem Bereich besser einzusetzen, auch tatsächlich genutzt werden. Die Kangaroo Group hat dazu einige Vorschläge unterbreitet: Die tatsächliche Umsetzung der Europaweiten Ausschreibung im Bereich der Verteidigung (bisher findet diese nur bei etwa 5% der Ausschreibungen statt) und gemeinsame technische Normen bei der geschützten Telekommunikation. Hier geht es um die Weiterführung und Beschleunigung des SDR - Projektes. Erfreulich ist, dass in diesen Bereichen bereits eine enge Zusammenarbeit zwischen der Kommission und der Verteidigungsagentur besteht.

Notwendig ist auch die gemeinsame Zertifizierung von ferngesteuerten Flugsystemen und deren Zulassung zum Europäischen Luftraum. Wesentliche Einsparungen und Verbesserungen der Effizienz sind möglich, wenn diese nicht mehr in jedem Mitgliedsland separat zugelassen werden müssen.

Von großer Bedeutung ist auch die Sicherheit unserer bereits im Weltraum stationierten Satellitensysteme. Wir vergessen leicht, wie weit heute unsere gesamte Lebensweise von dem Funktionieren dieser Systeme abhängt und die Schäden, die durch ihre Zerstörung verursacht werden können. Darum brauchen wir eine Verbesserung unserer Systeme zur Beobachtung des Weltraumes, die aus dem Haushalt der Europäischen Union finanziert werden könnte.

Ein Panel der Berliner Sicherheitskonferenz wird sich mit diesem Thema beschäftigen.

Soviel zu der Politik der kleinen Schritte und der strategischen Geduld, die dazu gehört. Notwendig ist es aber auch, darüber nachzudenken, wohin es denn eigentlich in der Zukunft gehen soll. Realistischerweise muss man davon ausgehen, dass ein größerer Schritt zunächst nur von einem kleineren Kreis der Mitgliedsländer gegangen werden kann. Das war schon so bei der Öffnung der Grenzen zwischen den Mitgliedsländern und bei der Einführung der gemeinsamen Währung. Auch bei der gemeinsamen Verteidigung gab es diese Überlegungen im Zusammenhang mit der weiteren Entwicklung des Eurocorps und der deutsch - französischen Zusammenarbeit.

Ein grundlegend anderer Ansatz kommt aus dem Auswärtigen- und Verteidigungsausschuss des französischen Senates. Die Senatoren Daniel Reiner und Jacques Gautier haben für diesen einen sehr lesenswerten Bericht erstellt, der von dem Ausschuss einstimmig angenommen wurde. Danach wird die Schaffung einer Gruppe von Ländern vorgeschlagen, die gemeinsam dazu in der Lage sein sollen, außerhalb ihres Territoriums zu intervenieren, wenn es um die Wahrung ihrer Interessen geht.

Diese Idee ist nicht neu. Neu ist allerdings die Tatsache, dass nicht mehr wie früher Frankreich und Deutschland, sondern vielmehr Frankreich und Großbritannien den Nucleus dieser Eurogroupe de Défense bilden sollen. Den derzeitigen Stellenwert der deutsch-französischen Zusammenarbeit kann man auch daran erkennen, dass Frankreich derzeit überlegt, Teile der deutsch-französischen Brigade anderweitig zu verwenden.

In dem Bericht steht auch zu lesen, was man bei Gesprächen in Frankreich oft zu hören bekommt: Eine Europäische Verteidigung sei eigentlich ohne Deutschland nicht denkbar. Die Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland sei eine unauflösliche Errungenschaft, und Deutschland sei die größte Wirtschaftsmacht des Kontinents. Aber die Zusammenarbeit mit den Deutschen sei derzeit schwierig wegen ihrer starken Ablehnung gegenüber militärischen Angelegenheiten. Zwar verändere sich diese Haltung des deutschen Volkes mit dem zunehmenden zeitlichen Abstand von dem zweiten Weltkrieg, aber weniger schnell als man sich das wünsche. Daher sei es notwendig, in dieser Angelegenheit „strategische Geduld“ zu zeigen. Im Klartext bedeutet dieses, dass die Weiterentwicklung der Europäischen Verteidigungspolitik zunächst einmal ohne Deutschland stattfinden soll.

Dazu kommt, dass derzeit nicht nur in Frankreich, sondern auch in Deutschland über Probleme der Zusammenarbeit geklagt wird. Es wäre ein sehr gefährlicher Weg, wenn bei der Entwicklung einer sogenannten gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik ein Europa entstünde, das in zwei Teile zerfällt. Die Berliner Sicherheitskonferenz ist ein geeigneter Rahmen, um auch darüber zu sprechen.

Karl von Wogau

Generalsekretär der Kangaroo Group