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Karl von Wogau - Was soll die nächste Bundesregierung tun?

Beitrag für die Zeitschrift „Orientierungen“ der Ludwig-Erhard-Gesellschaft


Von der neuen Regierung erwarte ich eine neue Orientierung in der Europapolitik. Nach der Schuldenkrise ist eine Bestandsaufnahme notwendig, aus der wir die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen müssen. Zu dieser Bestandsaufnahme gehört die Tatsache, dass der Vertrag von Maastricht seine Zähne verloren hat, seit die rot-grüne Bundesregierung 2002 durchgesetzt hat, dass die Sanktionsregeln im Falle von Frankreich und Deutschland nicht angewendet wurden.

Es ist unrealistisch, zu fordern, dass dieser Vertrag verschärft wird. Es wäre schon ein großer Fortschritt, wenn er tatsächlich gelesen und angewendet würde. Der Vertrag schreibt ausgeglichene Haushalte beziehungsweise Überschüsse vor für die Länder, deren Gesamtverschuldung zu hoch ist. Die immer wieder zitierte Grenze von drei Prozent der Nettoneuverschuldung gilt nur für Ausnahmefälle. Jetzt besteht die Aufgabe darin, durchzusetzen, dass diese Regeln tatsächlich angewendet werden.

Notwendig ist auch die Umsetzung und Weiterführung der Gesetzgebung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Stabilisierung der Finanzmärkte: Die Europäische Bankaufsicht, die Regelungen für Eigenkapital und Transparenz, für Hedgefonds und Pensionsfonds.

Nicht zuletzt müssen wir zurück zu der Regel, dass jeder für seine eigenen Schulden verantwortlich ist (no bail out). Leider lässt es die Erfahrung als wahrscheinlich erscheinen, dass es auch in Zukunft Staatsbankrotte geben wird. Daher brauchen wir eine Gesetzgebung der Union für Insolvenzen von Mitgliedsländern.

In der Frage der Eurobonds sollte die Bundesregierung bei ihrer bisherigen Linie bleiben. Eurobonds verwischen die eigene Verantwortung der Mitgliedsländer. Zwar bestreitet niemand, dass Solidarität zwischen den Mitgliedsländern notwendig ist. Diese sollte jedoch im Rahmen des demokratischen Haushaltsverfahrens der Union erfolgen.

Auch die immer wieder diskutierte Wirtschaftsregierung der Euroländer wäre ein Schritt in die falsche Richtung. Wirtschaftsregierung Europas ist die Europäische Kommission. Diese ist eingebettet in ein demokratisches Gesetzgebungsverfahren, an dem Parlament und Rat gleichberechtigt beteiligt sind. Eine nur dem Rat verantwortliche Wirtschaftsregierung wäre ein demokratischer Rückschritt.

Den größten Handlungsbedarf sehe ich bei der gemeinsamen Außen- und Verteidigungspolitik Europas. Die Mitgliedsländer der Union geben jedes Jahr etwa 200 Milliarden für Verteidigung aus, oft für nicht notwendige Duplikationen. Die Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, dass in diesem Bereich gemeinsame Projekte über den Haushalt der Europäischen Union finanziert werden

Dr. Karl von Wogau, Generalsekretär der Kangaroo Group