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Karl von Wogau: Ludwig Erhard und die Europäische Union

30.5.2012


Im Juni 1979 wurde das Europäische Parlament zum ersten Mal direkt gewählt. Damals wurde ich als neu gewählter Abgeordneter in den Ausschuss für Wirtschaft und Währung berufen, zu dessen Präsidenten in der ersten Legislaturperiode Jaques Delors gewählt wurde.

Schon bei den ersten Diskussionen in diesem Ausschuss wurden die sehr unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Traditionen unserer Nationen deutlich: Das Streben der Franzosen, möglichst alle Aspekte des Wirtschaftslebens zu regeln, der Pragmatismus der Briten und unsere deutsche wettbewerbsorientierte Ordnungspolitik.

Im ersten Kapitel seines Buches „Wohlstand für alle“ schreibt Erhard unmissverständlich: „Das erfolgversprechendste Mittel zur Erreichung und Sicherung jeden Wohlstandes ist der Wettbewerb.“1

Unser stärkster Hebel bei der Durchsetzung dieser Vorstellungen in der Europäischen Gemeinschaft waren die Regeln der Römischen Verträge für den Wettbewerb und den freien Warenverkehr. Damals wurde mir bewusst, dass Ludwig Erhard, dem ich persönlich nie begegnet bin, tiefe Spuren in dem Gefüge der heutigen Europäischen Union hinterlassen hat. Die Verankerung dieser Bestimmungen war seine Bedingung für die deutsche Zustimmung zu den Römischen Verträgen.

Unser erstes Ziel war damals die Schaffung des Europäischen Binnenmarktes: Offene Grenzen nach innen, gemeinsame Grenzen nach außen, Abschaffung von Monopolen und die Beseitigung von technischen Handelshemmnissen. Es war damals eine Kombination des Gestaltungswillens von Jacques Delors, des Pragmatismus von Frau Thatcher und im Parlament der Initiativen der Kangaroo Group2, die durch konsequente Anwendung dieser von Erhard durchgesetzten Vertragsbestimmungen den Durchbruch zum Europäischen Binnenmarkt ermöglichte.

Als Vorsitzenden des Ausschusses für Wirtschaft und Währung war ich Berichterstatter des Europäischen Parlaments bei der Entscheidung über Einführung des Euro am 2. Mai 1998. Bei der Abstimmung über meinen Bericht3 war eines bis zum letzten Augenblick umstritten: Die strikte Einhaltung der Stabilitätskriterien. Auch in der heutigen Debatte würde ich mir wünschen, dass man zurückkehrt zu der Erkenntnis von Ludwig Erhard, dass eine soziale Marktwirtschaft „nicht denkbar ist ohne eine konsequente Politik der Preisstabilität“4.


Dr. Karl von Wogau

Generalsekretär der Kangaroo Group


1 Ludwig Erhard, Wohlstand für alle, Neuauflage 2009 S.15

2 Kangaroo Group, weitere Hinweise unter www.kangaroogroup.eu

3 Karl von Wogau, Soziale Marktwirtschaft für Europa, Europa Union Vertrag 1999 S.52 ff

4 Ludwig Erhard a.a.O. S. 23


Dieser Artikel wurde zur Veröffentlichung für die Ludwig-Erhard-Stiftung freigegeben.