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Sicherheit in Europa


Die Kangaroo Group

Im Jahr 1979 fand die erste direkte Wahl des Europäischen Parlaments statt. Damals bestanden sehr unterschiedliche Vorstellungen über die Aufgaben dieser neu gewählten Institution. Eine größere Gruppe von Abgeordneten sah das Parlament als verfassungsgebende Versammlung und war der Auffassung, dass die Durchsetzung einer Europäischen Verfassung die erste Priorität sein sollte.

Eine andere Gruppe von Abgeordneten vertrat die Auffassung, dass es zunächst einmal darum gehe, zu beweisen, dass das Parlament dazu in der Lage sei, klar erkennbare Vorteile für die Bürger Europas durchzusetzen. So traf ich Dieter Rogalla. Er trat engagiert dafür ein, die überflüssigen Grenzkontrollen zwischen den Mitgliedsländern der Europäischen Union abzuschaffen.

Als Bewohner der Grenzregion zwischen Schwarzwald und Vogesen hatte ich dasselbe Ziel ebenso verfolgt. Es war meine wichtigste Aussage im Wahlkampf. Aus meiner früheren beruflichen Tätigkeit hatte ich das Kriterium mitgebracht, dass ich nur dazu bereit war, Arbeitszeit in Projekte zu stecken, die eine Realisierungschance von mehr als 50 Prozent haben. Dieses Kriterium war bei dem Verfassungsprojekt nach meiner Einschätzung nicht erfüllt. Außerdem war ich damals 38 Jahre alt und der Auffassung, die Ausarbeitung einer Verfassung sei eine Aufgabe für grauhaarige Männer mit einer langen politischen Erfahrung.

Die Abschaffung der Grenzkontrollen zwischen den Mitgliedsländern war nach meiner damaligen Einschätzung das für Europa wichtigste und gleichzeitig auch realisierbare Projekt. Daraus entstand zunächst ganz informell eine Vereinigung, die von dem britischen Konservativen Basil de Ferranti, dem deutschen Sozialdemokraten Dieter Rogalla und mir gegründet wurde.

Zunächst hatte diese den wenig attraktiven Namen einer „Arbeitsgruppe zur Abschaffung technischer Handelshemmnisse“. Wir standen jedochin direkter Konkurrenz mit dem „Krokodil“, einer Vereinigung, die Altiero Spinelli mit dem Ziel der Schaffung einer Europäischen Verfassung gegründet hatte. Auf der Suche nach einem noch attraktiveren Tiernamen machte Dieter Rogalla den Vorschlag, das Känguru zu wählen, das auch mit einem leeren Beutel große Sprünge zustande bringt. Dies war angesichts der auch damals leeren Kassen ein wichtiger Gesichtspunkt.

Das Ziel der Abschaffung der Grenzkontrollen wurde mit dem Binnenmarktprogramm und dem Schengener Abkommen im 1992 verwirklicht. Das nächste große Projekt, an dem sich die Kangaroo Group beteiligte, war die gemeinsame Währung. Unser wichtigstes Ziel war, die notwendigen Bedingungen für die Stabilität der Europäischen Währung zu schaffen. Dafür gibt es zwei wesentliche Voraussetzungen: einerseits die Unabhängigkeit und Stabilitätsorientierung der Europäischen Zentralbank und andererseits eine funktionierende Schuldenbremse für die Mitgliedsländer. Die Unabhängigkeit und die Stabilitätsorientierung der Zentralbank wurden erreicht. Leider hat sich jedoch herausgestellt, dass die Schuldenbremse in der Form der Maastrichter Kriterien keine ausreichende Wirkung gezeigt hat.

Dennoch hat eine in der „Welt“ veröffentlichte Studie[1] zehn Jahre nach Einführung der gemeinsamen Währung gezeigt, dass die Teuerungsrate seit dem Bestehen des Euro (1,5 Prozent pro Jahr) geringer war, als die der Deutschen Mark in der Zeit ihres Bestehens (2,6 Prozent pro Jahr). Der entscheidende Prüfstein wird jedoch sein, wenn nach der Wirtschaftskrise die Konjunktur wieder anzieht und eine Erhöhung der Leitzinsen notwendig macht.

Schon damals waren wir jedoch der Auffassung, dass eine Währungsunion langfristig nur dann Erfolg haben kann, wenn sie in eine Politische Union eingebettet ist. Hier liegt nach meiner Auffassung die größte Schwäche des Europäischen Währungssystems. Es ist uns damals gelungen, eine vollumfängliche Währungsunion zu schaffen. Eine Politische Union wurde jedoch nur in Ansätzen verwirklicht.

Zu einer Politischen Union gehört notwendigerweise eine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik. Das ist auch, wie Meinungsumfragen zeigen, die eigentliche Erwartung der Bürger gegenüber der Europäischen Union: in Frieden und Sicherheit zu leben. Aus diesem Grund hat die Kangaroo Group im Jahr 1999 einen Arbeitskreis für Sicherheit und Verteidigung eingerichtet.

Seither habe ich in vielen Diskussionen über das Thema Sicherheit in Europa immer wieder die Frage gehört, gegen wen wir uns eigentlich verteidigen wollen und ob in der heutigen Welt eine Verteidigungspolitik noch notwendig sei. Diese Frage stellte sich auch Francis Fukuyama in einem Artikel, den er unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion geschrieben hat.[2] Seit 1945 haben wir Frieden zwischen den Mitgliedsländern der Europäischen Union. Darum nehmen viele Menschen nicht zur Kenntnis, dass es in der Welt in der gleichen Zeit mehr als 200 Kriege mit vielen Millionen Toten gegeben hat.[3]

Die Europäische Sicherheitsstrategie, die vom Europäischen Rat im Jahr 2003 beschlossen und 2008 nochmals überarbeitet wurde, analysiert die Bedrohungen, denen wir heute gegenüber stehen, wie auch die Werte und Interessen der Europäischen Union und ihrer Bürger.

Diese Analyse beginnt mit den Gefahren des internationalen Terrorismus, der Massenvernichtungswaffen und der nicht auszuschließenden Möglichkeit, dass chemische, biologische oder nukleare Waffen in die Hand von Terroristen oder von unverantwortlich handelnden Staaten gelangen könnten.

Eine weitere Gefährdung unserer Sicherheit sind Bürgerkriege in unserer unmittelbaren Nachbarschaft mit direkten Auswirkungen auf die Europäische Union.

Dazu kommen Naturkatastrophen wie die in Japan und Haiti, die gemeinsames Handeln notwendig machen.

Zu einer Europäischen Sicherheitspolitik gehört auch der Schutz der Außengrenzen der Gemeinschaft gegen den Handel mit Drogen, Waffen und Menschen.

Notwendig ist auch die Sicherung unserer Energieversorgung und unserer Handelswege.

Als neue Bedrohungen kommen hinzu Angriffe auf unsere Computernetzwerke. Wenn man bedenkt, dass unsere Wirtschaft und unsere gesamte Versorgung auf diese Netzwerke angewiesen sind, besteht auch hier ein hohes Risiko.

Eine weitere Frage, die immer wieder gestellt wird, ist die, warum Sicherheit und Verteidigung eine Angelegenheit der Europäischen Union sein sollten.

Als ich im Frühjahr 1993 von dem Massaker in Srebrenica erfuhr, war ich wie viele meiner Kollegen im Europäischen Parlament beschämt, dass es dem scheinbar so mächtigen Europa nicht möglich war, dieses Blutvergießen zu verhindern. Dieses war in der damaligen Situation nur noch durch den Einsatz von Streitkräften möglich. Die Europäische Union verfügte jedoch damals über keinerlei Möglichkeiten, in diesem Bereich tätig zu werden. Schließlich waren es unsere amerikanischen Verbündeten, die das Problem für uns gelöst haben. Versagt haben damals die Nationalstaaten Europas.

Damals wurde vielen von uns bewusst, dass Sicherheit und Verteidigung notwendigerweise auch Aufgaben der Europäischen Union sein sollten. Zumindest in ihrem unmittelbaren geographischen Umfeld sollte die Europäische Union in der Lage sein, den Frieden zu sichern und Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie auch Völkermord zu verhindern.

Noch heute muss man sich die Frage stellen, warum denn eigentlich die Sicherheitsprobleme der Europäischen Union mit Ihren 500 Millionen Bürgern und einem Bruttoinlandsprodukt von mehr als 10 000 Milliarden Euro von 300 Millionen Amerikanern mit einer etwa gleich großen Wirtschaftsleistung gelöst werden müssen.


Was ist bisher geschehen?

Die ersten Beschlüsse auf dem Weg zu einer Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik kamen in einer ungewohnten Konstellation zustande. In der Vergangenheit waren es immer Frankreich und Deutschland gewesen, die gemeinsam europäische Initiativen entwickelt hatten. Jetzt waren es Frankreich und Großbritannien, die in St. Malo 1998 eine Europäische Identität im Bereich der Sicherheit forderten.

Dieses führte zu den Beschlüssen des Europäischen Rates in Köln und Helsinki  , wonach der Europäischen Union bis zu 60 000 Soldaten und Soldatinnen für Kriseneinsätze zur Verfügung stehen sollten.

Auf dieser Grundlage entwickelte Javier Solana, der damalige Hohe Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die heute noch gültige Sicherheitsstrategie der Europäischen Union  .

Diese beginnt mit der Feststellung, dass kein Land in der Lage ist, die komplexen Probleme der heutigen Zeit im Alleingang zu lösen und dass die Europäische Union als Zusammenschluss von Staaten, die ein Viertel des Bruttosozialproduktes weltweit erwirtschaften, dazu bereit sein sollte, Verantwortung für die globale Sicherheit und für eine bessere Welt mit zu tragen.

Des Weiteren wird festgestellt, dass jedes Jahr 45 Millionen Menschen an Hunger und Unterernährung sterben, und dass Sicherheit eine der Vorbedingungen für jede Entwicklung ist.

Wichtigstes Charakteristikum der Europäischen Sicherheitsstrategie ist ihr breiter Ansatz, die enge Verzahnung von zivilen und militärischen Instrumenten der Krisenbewältigung und das Ziel einer Weltordnung auf der Grundlage eines wirksamen multilateralen Systems im Rahmen der Charta der Vereinten Nationen. Dieses war die Antwort Europas auf die damalige Strategie der Vereinigten Staaten, die in erster Linie auf die so genannten Koalitionen der Willigen setzten.

Auf der Grundlage dieser Beschlüsse wurden inzwischen mehr als zwanzig zivile und militärische Einsätze durchgeführt. Um diese zu ermöglichen, mussten die dazu erforderlichen Strukturen geschaffen werden.

In den ersten Jahren war es in erster Linie Javier Solana, der als Generalsekretär des Rates und Hoher Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik diesem neuen Feld Europäischer Politik ein Gesicht gegeben hat.

Das Europäische Parlament hat einen Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung eingerichtet, der von mir geleitet wurde.

Mit der Schaffung des Europäischen Auswärtigen Dienstes auf der Grundlage des Vertrages von Lissabon steht jetzt der Hohen Vertreterin für die Außen- und Sicherheitspolitik, Baroness Ashton, ein neues Instrument zur Verfügung, um eine kompetente und wirksame Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu gestalten.

Dazu gehören gemeinsame Abrüstungsmaßnahmen, humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, Aufgaben der militärischen Beratung und Unterstützung, Aufgaben der Konfliktverhütung und der Erhaltung des Friedens bis hin zu Kampfeinsätzen im Rahmen der Krisenbewältigung. Diese Aufzählung von Aufgaben zeigt den umfassenden Ansatz der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union.

Die bisherigen Einsätze im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zeigen die gesamte Spannweite sicherheitspolitischer Aufgaben. Sie reichen von der Unterstützung beim Aufbau eines rechtsstaatlichen Justizsystems und der Entsendung von Beobachtern bis hin zu Einsätzen von Streitkräften unter der Führung der Europäischen Union.

Im Kosovo werden die militärischen Aufgaben von der Nato wahrgenommen. Der Beitrag der Europäischen Union besteht nicht in der Entsendung von Soldaten, sondern in der Unterstützung bei der Herstellung rechtsstaatlicher Verhältnisse, insbesondere der Ausbildung der Polizei und dem Aufbau eines unabhängigen Gerichtswesens. Ein weiteres Beispiel für die Hilfe der Europäischen Union ist die Ausbildung von Sicherheitskräften in Afghanistan.

Ein gutes Beispiel für die Kombination verschiedener Instrumente der Sicherheitspolitik war die Aktion der Europäischen Union bei der Krise in Georgien im August 2008. Einerseits der diplomatische Einsatz des Ratspräsidenten Nicolas Sarkozy in Tiflis und Moskau, der zu einem Waffenstillstand führte, und andererseits die Entsendung von 300 Beobachtern in die Krisenregion. Ihre Aufgabe ist es, die Situation zu analysieren, die Rückkehr von Flüchtlingen zu beobachten und zum Abbau der Spannungen und zur Stabilisierung der Lage zwischen den Parteien beizutragen.

Allerdings wurden hier auch die Grenzen der Kapazitäten der Europäischen Union sichtbar. Die Entsendung der Beobachter war nur durch einen außerordentlichen Einsatz der vorhandenen Mittel möglich, und bei einem Besuch vor Ort musste ich feststellen, dass Schutzausrüstungen, geschützte Fahrzeuge und sogar Ferngläser Mangelware waren. Nicht gerade optimal für eine Beobachtermission. Für die Zukunft wäre zu überlegen, ob es möglich wäre, einen Pool mit einer Grundausrüstung zu bilden, der jederzeit für Einsätze dieser Art zur Verfügung steht.

Beispiele für den Einsatz von Streitkräften im Rahmen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union waren die Einsätze im Kongo, im Tschad und im Golf von Aden.

In den Kongo wurden Streitkräfte unter der Führung der Europäischen Union entsendet, um die dortigen Wahlen abzusichern. Die Vereinten Nationen hatten die Europäische Union dazu aufgefordert. Es war ein genau umrissener und zeitlich begrenzter Einsatz, der in diesem Sinne erfolgreich durchgeführt wurde. Eine sehr brisante Situation bei dem Angriff von Regierungstruppen auf den Führer der Opposition wurde durch die Intervention der Europäischen Streitkräfte entschärft.

Seit Dezember 2008 kreuzen Schiffe der Europäischen Union im Rahmen der Mission Atalanta im Golf von Aden, um gegen die zunehmende Piraterie in dieser Region vorzugehen und die Handelswege der Europäischen Union zu schützen. Dennoch hielten somalische Piraten im Januar 2011 noch 31 Schiffe mit mehr als 700 Seeleuten fest.

Der Einsatz der Europäischen Union im Tschad vom Januar 2008 bis März 2009 hatte zum Ziel, die Lager von Flüchtlingen und Vertriebenen entlang der Grenze zum Sudan zu schützen, die immer wieder von Reitermilizen aus Darfur angegriffen wurden.

Im Tschad ist zum ersten Mal ein Soldat bei einem Einsatz im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik gefallen. Es war der Sergeant Gilles Polin, 28 Jahre alt. Bei der Trauerfeier in Bayonne war die Europäische Union durch Javier Solana und mich vertreten, Frankreich durch Nicolas Sarkozy, Hervé Morin und Michèle Alliot-Marie. Die Ehrung des gefallenen Kameraden durch sein Regiment war ein Eindruck, den ich nicht vergessen werde.


Wohin soll es gehen

Bei jedem Besuch von Streitkräften unter der Führung der Europäischen Union fällt auf, wie unterschiedlich die Ausrüstung der verschiedenen nationalen Kontingente ist.

Dabei muss man sich in Erinnerung rufen, daß die 27 Mitgliedsländer der Europäischen Union jedes Jahr etwa 200 Milliarden für Verteidigung ausgeben. Fast die Hälfte der Verteidigungsausgaben der Vereinigten Staaten, aber nach den Kriegen auf dem Balkan wurde uns von unseren amerikanischen Freunden bescheinigt, daß die Effizienz unseres Beitrages irgendwo zwischen 10 und 20 Prozent lag.

Dazu kommt die internationale Finanzkrise, die zu einem starken Druck auf alle Verteidigungshalte führt. Daher stellt sich die Frage, welche Verbesserungen durch mehr Zusammenarbeit erzielt werden können.

Zunächst kann man feststellen, dass die Defizite bei zivilen und militärischen Einsätzen oft dieselben sind. Auch bei der Bekämpfung von Naturkatastrophen geht es um Aufklärung, Navigation, Telekommunikation sowie Luft-, See- und Landtransport. Darum ist zu überlegen, wo in diesen Bereichen die bestehende Zusammenarbeit weiter verstärkt werden kann und ob hier auch Finanzierungsmöglichkeiten aus dem Haushalt der Europäischen Union bestehen.

Haushalt und Information sind die wesentlichen Instrumente der Kontrolle, die einem Parlament zur Verfügung stehen. Das Europäische Parlament hat die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nach besten Kräften genutzt.Am wichtigsten waren die regelmäßigen Informationsbesuche in den Krisenregionen auf dem Balkan, im Kongo, im Tschad und in Somalia. Dadurch war es möglich, vor den Entscheidungen des Rates über den Einsatz von Streitkräften eine Stellungnahme des Europäischen Parlamentes zu beschließen.

Diese Erfahrung veranlasst mich auch, denjenigen zu widersprechen, die eine parlamentarische Kontrolle der Verteidigungspolitik grundsätzlich für problematisch halten, weil die Parlamente dafür zu langsam seien. Jedenfalls hatte das Europäische Parlament seine Meinungsbildung abgeschlossen, bevor der Rat über die Einsätze im Kongo und im Tschad entschieden hatte.

Im Übrigen liegt die Kontrolle bei den Parlamenten der Mitgliedsländer. Es gilt jetzt, neue Formen der Zusammenarbeit zwischen den Parlamenten der Mitgliedsländer und dem Europäischen Parlament zu entwickeln.


Ausblick

Das stärkste Argument für die Weiterentwicklung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik sind die leeren Kassen der Mitgliedsländer. Wir können es uns nicht länger leisten, das Rad nicht einmal, sondern siebenundzwanzig Mal zu erfinden.

Die Initiative im Rahmen der Europäischen Verteidigungsagentur, dass die Mitgliedsländer zunächst einmal überprüfen, in welchen Bereichen sie Kapazitäten zur eigenen ausschließlichen Verfügung haben wollen und wo sie zur Zusammenarbeit oder auch zum Verzicht auf eigene Kapazitäten bereit sind, scheint mir ein realistischer Ansatz zu sein.

Auf dieser Grundlage könnten dann neue gemeinsame Initiativen entwickelt werden, wobei man sich am besten auf Projekte von Größenordnungen konzentriert, die aus finanziellen Gründen einzelnen Mitgliedsländern nicht mehr zugänglich sind. Außerdem sollte geprüft werden, wo weitere Möglichkeiten gemeinsamer Nutzung von Kapazitäten und von Einsparungen durch gemeinsame technische Standards und Zertifizierungen möglich sind.

Auch sollten diejenigen Länder, die Träger multinationaler Corps wie beispielsweise des Eurocorps sind, überlegen, ob sie im Rahmen einer Permanenten Strukturierten Zusammenarbeit dazu bereit wären, diese Einheiten der Europäischen Union permanent zur Verfügung zu stellen.

Was wir jetzt brauchen, ist eine breite öffentliche Diskussion über diese Fragen. Wir müssen die bestehenden Strukturen und Fähigkeiten nochmals unter die Lupe nehmen, um zu prüfen, ob sie den Anforderungen des 21. Jahrhunderts genügen.

Ob dieses eines Tages zu einer Europäischen Armee führen wird, ist eine Frage des politischen Willens. Es ist darum in erster Linie eine Frage an die Bürger der Europäischen Union.



[1]Allianz-Studie – Auszüge veröffentlicht in: Welt-Online vom 18.1.2011

[2]Fukuyama, Francis – The End of History? - The National Interest, Summer 1989

[3]Universität Hamburg, Fachbereich Sozialwissenschaften – Kriege und bewaffnete Konflikte seit 1945;http://www.sozialwiss.uni-hamburg.de/publish/Ipw/Akuf/kriege_archiv.htm