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Von Wogau plädiert für neue Sicherheitsarchitektur- Interview im Deutschlandradio


Interview im Deutschlandradio. Audiodatei zum anhören:


Der Leiter der Berliner Sicherheitskonferenz, Karl von Wogau, hat sich für eine Arbeitsteilung zwischen den USA und Europa in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik ausgesprochen. Der CDU-Politiker sagte, Europa entwickle sich langsam von einer Wirtschafts- und Währungsunion zu einer Sicherheits- und Verteidigungsunion. Vor diesem Hintergrund müsse die EU zu einer Arbeitsteilung in der Sicherheitspolitik mit den USA kommen.

Christopher Ricke: Die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik, aber auch die transatlantischen Beziehungen und der Kampf gegen den Terror, das sind Themen der Berliner Sicherheitskonferenz, die heute Vormittag ihre Arbeit aufnimmt. Das ist ein sehr großer Sicherheitskongress. Mehr als 1600 Teilnehmer aus 60 Ländern sind gekommen, und diese Konferenz wird in Zusammenarbeit mit dem Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung des Europäischen Parlaments durchgeführt. Dessen Vorsitzender ist der CDU-Politiker Karl von Wogau. Guten Morgen, Herr von Wogau!

Karl von Wogau: Guten Morgen!

Ricke: Es gibt ja viel zu besprechen. Die aktuelle Drohung der Russen zum Beispiel in der Exklave Kaliningrad, Raketen zu stationieren, um den US-Raketenschild notfalls neutralisieren zu können. Wie gehen Sie denn mit so einem aktuellen Thema heute um?

von Wogau: Das sind Themen, die heute selbstverständlich besprochen werden. Verteidigungsminister Jung wird morgen zu uns sprechen. Hans-Gert Pöttering, der Präsident des Europäischen Parlamentes wird heute sprechen, dann der Vizepräsident der Europäischen Kommission Jacques Barrot, der für die innere Sicherheit zuständig ist. Und bei diesem Kongress ist ja auch einer der Schwerpunkte, dass die innere und die äußere Sicherheit behandelt werden. Und selbstverständlich auch solche Fragen, wie die Frage des Raktenschildes. Dazu gibt es ein Panel, das sich intensiv mit dieser Frage beschäftigen wird.

Ricke: Ist abzusehen, zu welchem Ergebnis man kommt? Stellt man die Frage, ob Russland eine aktuelle europäische Sicherheitsbedrohung ist?

von Wogau: Man beschäftigt sich mit der Krise in Georgien und dem Krieg in Georgien, der dort stattgefunden hat und die Schlussfolgerungen, die daraus zu ziehen sind und wie weiter mit Russland umgegangen werden sollte. Das ist sicherlich ein sehr wichtiges Thema.

Ricke: Wenn man diese aktuellen Themen diskutiert, so diskutiert man sie ja vor dem Hintergrund struktureller Entscheidungen. Nach dem Ende des Kalten Krieges haben ja viele geglaubt, in Zukunft bräuchte es eher schnelle Einsatztruppen denn Truppen zur Landesverteidigung. Der russische Einmarsch in Georgien, den Sie gerade angesprochen haben, hat viele eines Besseren belehrt. Die Ukraine zum Beispiel sieht sich direkt bedroht, die NATO-Partner im Baltikum haben große Sorgen. Gibt es denn eine Renaissance für die klassische Landesverteidigung?

von Wogau: Ich glaube, das sind Dinge, die man sich selbstverständlich überlegen muss. Wie Sie sagen, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat sich die NATO vollkommen gewandelt, hat sich auch darauf eingestellt, dass sie außerhalb des früheren NATO-Gebietes tätig werden kann, während wir gesehen haben, dass bei der Krise in Georgien Russland sehr gut vorbereitet war. Die haben innerhalb von drei Tagen ihre Ziele erreicht, während die westlichen Demokratien langsamer reagiert haben. Sie haben sehr gut reagiert, das war die Europäische Union auch, die im Mittelpunkt dieser Reaktion stand. Aber es hat sich auch doch gezeigt, dass wir für solche Situationen uns besser vorsehen müssen.

Ricke: Welche Lehren müssen da direkt draus gezogen werden?

von Wogau: Ich glaube, dass wir festgestellt haben beispielsweise, dass zeitenweise auf unserer Seite, jedenfalls bei der Europäischen Union, gar nicht klar war, was denn eigentlich geschieht, was da vor Ort passiert. Und da müssen wir die Mittel, um solche Fragen aufzuklären, müssen wir verbessern.

Ricke: Jetzt haben wir eine europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die Sie diskutieren heute und morgen in Berlin. Wir sind aber eingebunden in den NATO-Verbund. Wo ist denn da der Unterschied? Und damit ist auch gleich die Frage nach den transatlantischen Beziehungen gestellt.

von Wogau: Ja, das sind ja zwei Dinge, die sich gegenseitig ergänzen, die sich nicht gegenseitig ausschließen. Als die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik konzipiert wurde, haben wir festgestellt, dass unsere amerikanischen Verbündeten und Freunde, dass die da sehr kritisch gewesen sind. Aber das hat sich mittlerweile geändert. Bei dem Gipfel in Bukarest hat der amerikanische Präsident sehr deutlich gesagt, dass er die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik als eine sehr wertvolle Ergänzung der NATO ansieht.

Ricke: Jetzt werden wir aber bald einen neuen US-Präsidenten sehen. Und mit der neuen Präsidentschaft könnten auch neue Anforderungen an die Europäer herangetragen werden. Wie nehmen Sie denn diesen Aspekt auf?

von Wogau: Ich glaube, dass wir uns im Klaren darüber sein müssen, dass Europa, wenn es sich langsam zu einer Sicherheits- und Verteidigungsunion weiter entwickelt, wir sind ja bisher eine Wirtschafts- und Währungsunion, werden jetzt eine Sicherheits- und Verteidigungsunion, dass wir dann noch eine Arbeitsteilung mit den Vereinigten Staaten suchen müssen. Und diese Arbeitsteilung sollte nach meiner Meinung auch so aussehen, dass sich die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik in erster Linie mit dem geographischen Umfeld der Europäischen Union beschäftigt, dass wir im Übrigen dazu bereit sind, in einem multilateralen Rahmen auch da mitzuwirken, wo die Dinge weiter entfernt von Europa sich abspielen.

Ricke: Wie verstehe ich das? Eine europäische Armee zur Verteidigung der EU und eine internationale Eingreiftruppe, um sie zum Beispiel auch in Afghanistan einsetzen zu können?

von Wogau: Ich spreche nicht von einer europäischen Armee, aber ich spreche von einer gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und auch Soldaten, die unter europäischer Führung bestimmte Aufträge durchführen, wie das ja heute bereits der Fall ist. Unsere Sicherheits- und Verteidigungspolitik hat zwei Aspekte. Einmal beispielsweise Kosovo, da schicken wir Polizisten, Staatsanwälte und Richter zur Ausbildung der Staatsanwälte und Richter im Kosovo, um dort zur Stabilisierung des Landes beizutragen oder im Tschad, wo wir jetzt mehr als 2000 Soldaten hingeschickt haben, um die Flüchtlingslager zu schützen. Das sind dann Soldaten unter europäischer Führung.

Ricke: Vielen Dank, Herr von Wogau!

von Wogau: Vielen Dank Ihnen auch!

Ricke: Der CDU-Politiker und Europaabgeordnete Karl von Wogau. Er leitet die 7. Berliner Sicherheitskonferenz.