Mobilmenü

Raketenabwehr: Europa muss seine Sicherheitsinteressen definieren


Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

wenn wir in Europa über Raketenabwehr sprechen, dann dreht sich die Diskussion meist um die von den Vereinigten Staaten vorgesehenen Installationen in Polen und Tschechien.

Vielen ist die Tatsache nicht bewusst, dass es hier lediglich um die Ergänzung eines bereits bestehenden Systems handelt, dessen Aufgabe es ist, die Vereinigten Staaten von Amerika zu schützen. Für uns im Europäischen Parlament muss es jedoch in erster Linie um die Frage gehen, was dieses für die Sicherheit des europäischen Kontinentes bedeutet.

Die Vereinigen Staaten haben für ihr Raketenabwehrsystem bereits über 100 Milliarden Dollar ausgegeben. Pro Jahr investieren sie weitere 10 Milliarden in den Ausbau des Systems. Dabei sind die Vereinigten Staaten von potentiellen Gefahrenquellen deutlich weiter entfernt als wir in Europa. Die aktuelle Situation ist ungefähr so, als würde Luxemburg Geld für Deichbau ausgeben, während die Niederlande dieses nicht für notwendig halten.

Wir müssen uns also die Frage stellen, ob überhaupt eine Bedrohung besteht und ob es notwendig ist, darauf zu reagieren. Die Debatte mit Javier Solana, die wir soeben geführt haben, zeigt, dass die Situation im Iran nach wie vor besorgniserregend ist. Auch wissen wir, welche Bedrohung von der instabilen Lage in Pakistan ausgehen könnte.

Wir im Unterausschuss Sicherheit und Verteidigung haben intensive Gespräche mit Vertretern der Vereinigten Staaten geführt- unter anderem auch mit dem für Raketenabwehr zuständigen General Obering. Dabei wurde deutlich, dass das amerikanische System theoretisch dazu in der Lage wäre, einen Teil Europas zu schützen-jedoch nicht ganz Europa.
Vor allem Zypern, Malta, Teile von Griechenland, Rumänien, Bulgarien und Süditalien können durch dieses System nicht geschützt werden.

Aus europäischer Sicht dürfen wir es nicht zulassen, dass unser Kontinent in unterschiedliche Zonen mit einem unterschiedlichen Niveau an Sicherheit zerfällt. Darum müssen wir unsere gemeinsamen europäischen Sicherheitsinteressen in diesem Zusammenhang gemeinsam definieren. In diese Debatte muss auch Russland einbezogen werden.

Wir erwarten, dass der NATO-Gipfel in Bukarest im April Vorschlüge für ein gemeinsames System vorlegen wird. Wir erwarten, dass dabei unsere spezifischen europäischen Sicherheitsinteressen, in angemessener Weise berücksichtigt werden.

Karl von Wogau