Karl von Wogau über Tschad-Einsatz: Hubschrauberaffäre ist Armutszeugnis
Im Osten des Tschads, nahe der Grenze zur sudanesischen Krisenprovinz Darfur, leben hunderttausende Menschen in Flüchtlingslagern. Immer wieder kommt es zu brutalen Angriffen von Banditen, bewaffneten Banden und Reitermilizen auf diese Lager.
Im Herbst letzten Jahres hat die Europäische Union beschlossen, zum Schutz der Menschen in dieser Region und vor allem zum Schutz der Flüchtlingslager, eine 3500 Mann starke Friedenstruppe in den Tschad zu entsenden.
Die Entsendung dieser Truppe verzögert sich nun bereits seit Monaten. Erst bekam man keine Soldaten zusammen, dann drohte der ganze Einsatz am Fehlen von 20 Hubschraubern zu scheitern.
Nun verlautete von Seiten des Rates der Europäischen Union, der Einsatz könne nun doch stattfinden, da Russland und die Ukraine Bereitschaft gezeigt hätten, die fehlenden Hubschrauber beizusteuern.
Karl von Wogau, Vorsitzender des Unterausschusses für Sicherheit und Verteidigung im Europäischen Parlament, bezeichnete dies als Armutszeugnis:
"Dass wir uns nun von Russland und der Ukraine 20 Hubschrauber leihen müssen, um überhaupt einen Einsatz im Tschad durchführen zu können, zeigt, wie ineffektiv die Verteidigungsausgaben der Mitgliedsstaaten ausgegeben werden.
Die 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union geben jährlich 170 Milliarden für Verteidigung aus. Leider geht ein großer Teil davon durch Duplikationen und Parallelentwicklungen verloren.
Jedes Mitgliedsland kauft etwas anderes in kleinen Stückzahlen zu hohen Preisen, jedes Rad wird 27-mal erfunden und entwickelt, in jedem Mitgliedsstaat einmal.
Im Jahr 1999 haben die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in Helsinki beschlossen, eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu entwickeln. Seither wurden auch in Brüssel die dafür notwendigen Strukturen entwickelt und verschiedene Friedenseinsätze unter europäischer Führung durchgeführt.
Es ist nun an der Zeit, dass sich die Mitgliedsländer der Europäischen Union eindeutig zu dieser gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik bekennen und auch entsprechend handeln."