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Karl von Wogau: Rede im Plenum zur Frage der Raketenabwehr


Herr Präsident, verehrte Kollegen! Die Debatte über das Raketenabwehrsystem erinnert mich immer wieder an ein Stochern im Nebel. Wenn man bei einer Debatte im Nebel stochert, ist das immer ein sehr guter Anlass für Polemik.

Zunächst einmal wird ja hier nicht über ein, sondern über zwei Raketenabwehrsysteme diskutiert. Das eine ist das Raketenabwehrsystem der Vereinigten Staaten, ein System, für das bereits 100 Milliarden Dollar ausgegeben worden sind. Die Installationen in Polen und Tschechien, die hier geplant sind, sind Teil dieses Abwehrsystems. In diesem Jahr wurden 9 Milliarden für das Abwehrsystem ausgegeben. Für uns muss sich die Frage stellen, was das für die Sicherheit von Europa bedeutet. Wir sind gewählt und daher verantwortlich für die Sicherheit des europäischen Kontinents. Da stellt sich für mich die Frage, ob durch dieses System auch europäische Länder, und wenn ja, dann auch wirklich alle Länder, geschützt werden können. Denn eines darf nicht geschehen, dass Europa in zwei Zonen unterschiedlicher Sicherheit zerfällt. Das müssen wir verhindern.

Eine zweite Frage stellt sich hinsichtlich des Nato-Raketenabwehrsystems. Hier gibt es bisher lediglich eine Machbarkeitsstudie. Was wird die Nato, was wird Europa aufgrund dieser Machbarkeitsstudie tun? Zuständig ist eindeutig die Nato, nicht die Europäische Union. Wenn wir aber auf diesem Weg weitergehen wollen, dann müssen wir uns überlegen, auf welche Art und Weise die europäischen Länder im Rahmen der Nato tätig werden. Denn wenn es darum geht, daraus beispielsweise Entwicklungs- oder industrielle Rückschlüsse zu ziehen, haben wir die Wahl, entweder als 27 Länder gegenüber den Vereinigten Staaten im Rahmen der Nato aufzutreten oder gemeinsam als Europäische Union. In dem einen Fall werden wir sicherlich nicht Partner der Vereinigten Staaten sein, in dem anderen Fall sehr wohl; zwar sicherlich ein jüngerer Partner, aber immerhin mit der Chance, Partner der Vereinigten Staaten zu sein.